Mein Name ist Leonie Fahrion, ich bin 26 Jahre alt und liebe es Neues zu entdecken.
2010 hat es mich das erste Mal nach Afrika verschlagen, damals ging die Reise nach Ghana. Schnell wurde mir klar, dass diese Kultur genau mein Ding ist. Die Menschen sind bunt, laut und voller Lebensfreude. Und dann ist da diese omnipräsente Armut, die so überhaupt nicht zu den lachenden Gesichtern passt. Mir wurde bewusst, dass diese Erfahrung mich mein ganzes Leben lang begleiten wird.
2015 bin ich nach Tansania gereist. Über eine Internetplattform habe ich mich in Ilboru, Tansania, für ein Schulprojekt gemeldet. Völlig unkompliziert und absolut unorganisiert habe ich mich auf eine Reise begeben, die die schönste meines Lebens werden sollte. Meine lokale Kontaktperson hat mich am Flughafen abgeholt und mich dann direkt zu meiner Gastfamilie gebracht. Meine anfänglichen Bedenken und Unsicherheit über das neue Abenteuer verflogen schnell als ich extrem herzlich begrüsst wurde. Ich wohnte jetzt mit Mutter, Vater, 5 von 7 Kindern zwischen 3 und 26 Jahren, Tante, Grosstante, zwei Stallgehilfen, 7 Hunden, 5 Kühen, 3 Schweinen und einer Katze im Dorfteil Olturoto.
Die ersten Tage waren geprägt von einem ziemlich krassen Kulturschock, zwangsläufiger Ent-schleunigung meines Schweizer Lebenstempos und völliger Planlosigkeit im Umgang mit der lokalen Dusche (ein Eimer). Meine 16-jährige Gastschwester hat sich aber grossherzig auf das verwöhnte weisse Mädchen eingelassen und mir mit viel Humor die gängigsten Handgriffe im Umgang mit Wasser und Feuer beigebracht.
Unterrichtet habe ich Naturwissenschaften, Englisch und Mathematik für die Vorschulklasse. Man darf dazu sagen, dass afrikanische Kinder extrem wissenshungrig sind und oft schon vor der ersten Klasse lesen und schreiben gelernt haben. Innerhalb kürzester Zeit habe ich mich in meine Schulklasse verliebt. Das hat auch die Hauptlehrerin schnell bemerkt und daraufhin einfach mal ein paar Wochen Urlaub gemacht. Kein Problem mit 30 Kindern, die nur Englisch verstehen, wenn sie gerade Lust dazu haben und die natürlich ganz genau wussten, dass jetzt der Spass ihres Lebens beginnt. Gemeinsam haben wir aber doch noch die Kurve gekriegt und am Ende des Semesters sogar noch ausgezeichnete schulische Resultate erzielt.
PRIVATSCHULE VS. ÖFFENTLICHE SCHULE
Einziger Wermutstropfen war, dass sechs meiner 30 Kinder die Schulgebühren nicht mehr bezahlen und damit das Schuljahr nicht ordentlich beenden konnten. Für mich war das ein extrem trauriger Moment. Nachforschungen haben dann ergeben, dass viele Familien unbedingt die bestmögliche Bildung für ihre Kinder wollen und daher versuchen, jeden Rappen für die Schulgebühren zu sparen, dies aber leider nicht immer gelingt. Aufgrund der praktisch nicht vorhandenen Wirtschaft ist es den Familien oft nicht möglich, die Kinder in Privatschulen zu schicken. Oftmals haben sie nur die finanziellen Mittel, um dem ältesten Kind eine gute Schule zu bezahlen und alle jüngeren Geschwister besuchen dann eine öffentliche Schule.
Der grosse Unterschied zwischen Privatschulen und öffentlichen Schulen liegt dabei in der Anzahl Schüler pro Klasse. In Privatschulen bestehen die Klassen meistens aus maximal 30 Schülern während in öffentlichen Schulen durchschnittlich 50-60 Schüler pro Klasse am Unterricht teilnehmen. Für eine Schulklasse steht meistens nur ein einziges Lehrbuch zur Verfügung.
Die Schule, an der ich unterrichtet habe, ist die beliebteste im Dorf. Dort ist die offizielle Unterrichtssprache Englisch und gute Englischkenntnisse sind eine Voraussetzung für weiterführende Schulen. Die Schulgebühren betragen CHF 80.- pro Semester und das ist bei einem durchschnittlichen Monatseinkommen von CHF 150.- für eine sechsköpfige Familie schlichtweg nicht machbar, oder nur machbar in Verbindung mit sehr viel Verzicht. Ich persönlich hatte das Gefühl, dass die Lebenshaltungskosten im direkten Vergleich zum Einkommen sehr hoch sind. Lebensmittel sind eher teuer in Tansania, und es ist mir ein Rätsel, wie die Menschen das Geld für die Schulgebühren verdienen können.
EIN PROJEKT ENTSTEHT
Natürlich kam ich mit dem Notstand an Schulmaterial und Infrastruktur in den Schulen nicht klar, die Gesamtsituation hat mich sehr traurig gemacht. Hier gibt es so viele Kinder, welche wahnsinnig grosse und schöne Träume, jedoch gleichzeitig gar keine Perspektiven haben. In Zusammenarbeit mit Sam, dem Mann, der die ganzen internationalen Volontäre nach Tansania holt, habe ich mir von allen Schulen rund um Ilboru, Listen mit den benötigten Schulbüchern beschafft. Dann habe ich mit Hilfe eines kleinen Flyers und Social Media zu Hause in der Schweiz Geldspenden gesammelt und wurde überrumpelt mit positivem Feedback. Die Anteilnahme an meiner Idee hat mich wahnsinnig berührt und ich bin stolz, so viele wunderbare Menschen zu kennen, die meinen Enthusiasmus mitgelebt haben und auch heute noch mitleben.
Als nächsten Schritt habe ich mir in Ilboru einen lokalen Buchhändler gesucht, bei dem ich mit den gespendeten Geldern alle Bücher bestellen konnte und der mit meinen Vorstellungen von Einkaufskonditionen leben konnte - das war gar nicht so einfach. Aber was lange währt, wird endlich gut.
Wir konnten schlussendlich über 1500 Schulbücher abholen und an die Schulen verteilen. Die Dankbarkeit der Lehrer war unermesslich und das Leuchten der Kinderaugen, als sie das erste Mal ein richtiges Arbeitsbuch in der Hand hielten, war einfach unbezahlbar.
Während meiner gesamten Zeit in Tansania hat ein Gefühl meinen Alltag ganz klar dominiert, und das war die Lebensfreude. Von morgens früh bis abends spät war ich umgeben von Menschen, die jede Situation des Lebens mit wahnsinnig viel Leichtigkeit und Optimismus gelebt haben. Kein Strom, kein Problem. Kein Wasser, kein Problem. Kein Gemüse, kein Problem. Und ich? Ich hatte am Ende meines Aufenthalts einen Rucksack voller Leichtigkeit, Lebensfreude und Enthusiasmus im Gepäck und ich hoffe, dass mich dieses Gefühl nie wieder verlässt.
hakuna matata rafiki - sei sorglos mein Freund.
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